13.3. ... und noch eine Predigt vom Sonntag zum Thema Frieden

Administrator (Reinhard_de) on 13.03.2023

Als Reaktion auf die Predigt aus Stetten, wurde mir eine weitere Predigt vom Sonntag zugesandt, die sich dem Thema Frieden ganz anders zuwendet.

Als Reaktion auf die Predigt aus Stetten, wurde mir eine weitere Predigt vom Sonntag zugesandt, die sich dem Thema Frieden ganz anders zuwendet.

Predigt zu Mk 12, 1-12 am 5.3.2023

Das Gleichnis von den bösen Weingärtnern spielt an auf die Geschichte des Gottes Israels mit seinem Volk. Mit der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten wollte er einen schönen Weinberg bauen, aber die Weingärtner vergaßen den Auftrag, nie so zu werden wie ihre einstigen Unterdrücker. Israel wurde ein Königreich, in dem Macht missbraucht wurde. Um nur ein besonders schlimmes Beispiel herauszugreifen: Der Hirtenjunge David steigt als militärischer Anführer zum König auf. Trotz seiner vielen Frauen bricht er die Ehe seines Soldaten Uria. Den schickt er in ein Himmelfahrtskommando zur Vertuschung der Tat. Der von Gott berufene Prophet Nathan konfrontiert ihn mit der Tat vorsichtig durch eine Beispielgeschichte (2. Sam 12). Denn Propheten, die den Mächtigen in Gottes Auftrag ins Gewissen reden, leben gefährlich. Ich habe deshalb Jer 38,14-18 als Schriftlesung ausgewählt, den Konflikt zwischen dem König Zedekia und dem Propheten Jeremia. Der entging nur knapp einem Mordanschlag. Seine Gegner warfen ihn in eine Zisterne (Jer 38). Der Prophet Uria, der wie Jeremia predigte, wurde hingerichtet (Jer 26,20-23). Die beiden Propheten hatten den Auftrag, vor einem militärischen Aufstand gegen den König von Babel zu warnen. Deshalb waren sie dem kriegstreiberischen Hofstaat ein Dorn im Auge. Der König folgte dem Rat Jeremias nicht, mit dem babylonischen König Frieden zu schließen. Jerusalem wurde erobert und samt dem Tempel zerstört, die Söhne des Königs ermordet, der König geblendet und mit den Kriegstreibern nach Babel deportiert (Jer 39,1-9).

Das Gleichnis spielt am Ende an auf Jesus als den letzten hingerichteten Gesandten des Gottes Israels. Er war auf einem Esel in Jerusalem eingeritten um deutlich zu machen, dass er nicht als Heerführer den Aufstand gegen Rom anführen wollte. Dem Hosianna folgte das „kreuzige ihn“. Seit einem Jahr erleben wir einen neuen Konflikt zwischen kriegstreiberischen Bellizisten und friedliebenden Pazifisten, ganz ähnlich den Konflikten zur Zeit Jeremias und der Zeit Jesu. Auch Christen, die sich bisher als Pazifisten verstanden, befürworten angesichts des Kriegs in der Ukraine Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet. Auch die Vorsitzende des Rates der Ev. Kirchen in Deutschland, Frau Kurschus, zeigte Verständnis für die Waffenlieferungen. Als ich ihr per e-Mail die Erfahrungen Israels zur Zeit des Jeremia vorhielt, antwortete mir ihre Mitarbeiterin, Frau Kurschus könne in Interviews nicht solche jahrtausendealte Geschichten vorbringen, meine Parallelisierung mit dem gegenwärtigen Konflikt sei „abenteuerlich“. Es ist aber die Aufgabe der Predigtarbeit, eben diese Jahrtausende alten Erfahrungen für die Lösung gegenwärtiger Probleme fruchtbar zu machen. Inzwischen sehe ich mich noch mehr heraus gefordert, auf die hohe Aktualität dieser uralten Erfahrungen hinzuweisen. Denn Jesus wiederholt Jeremias Warnungen: Wer zum Schwert greift, wir durchs Schwert umkommen (Mt 26,52). Gewiss sagt Jesus diesen Satz in Gethsemane, als er verhaftet wird. Aber dass er auch im gegenwärtigen Ukrainekrieg zutrifft, ist nicht zu bestreiten. Die Ukrainische Regierung begann 2014 den Krieg gegen die prorussische Bevölkerung im Donbass mit 14.000 Toten vor allem im prorussischen Volksanteil. Putin griff 2022 in diesen Bürgerkrieg ein. 250.000 Tote sind inzwischen zu beklagen, mehrheitlich in der Ukraine, aber auch auf russischer Seite.

Gewiss gibt es Unterschiede zwischen dem Konflikt zur Zeit Jeremias und dem Ukrainekrieg: Der Preis, den die Jerusalemer Kriegstreiber zahlen mussten, ist zahlenmäßig geringer als der heutige. Damals wurden nur die Königssöhne getötet, heute sind es nach nach neun Jahren über 250.000. Aber dies bedeutet doch, die Warnungen Jeremias noch viel ernster zu nehmen. Einst wurde nur Jerusalem zerstört, heute hält die Zerstörung vieler ukrainischer Städte an. Dabei geht es nicht nur um russische Bombardierungen wie im bis zuletzt verteidigten Mariupol. Etwa die Stadt Kupjansk blieb zunächst verschont, weil der Bürgermeister die Stadt nicht verteidigen ließ, sondern kampflos übergab. Durch die Rückeroberung ist sie nun ein Schatten ihrer Vergangenheit. Heute geht es nicht um einen Tempel, dessen Zerstörung einst einen religiöse Katastrophe darstellte, sondern um das größte Kernkraftwerk Europas, das durch die Kämpfe zur nuklearen Katastrophe werden kann. Aber all diese quantitativen Unterschiede nötigen noch dringender, auf den Gott Israels zu hören, der durch Jeremia und Jesus zum Frieden rief.

Auch christliche Pazifisten gestehen heute ein, dass sie nicht so ganz genau wissen, wie in der Ukraine Frieden konkret gestiftet werden kann. Denn es ist bei uns bisher kaum bekannt, dass kurz nach Kriegsbeginn der Frieden schon greifbar nahe war. Mitte Oktober letzten Jahres wurde von dem ehemaligen Diplomaten Michael von der Schulenburg in der Frankfurter Rundschau berichtet: Eine russisch-ukrainische Verhandlungsdelegation hatte bereits im März 2022 einen 10-Punkte-Plan für den Frieden ausgearbeitet, der Ende März in Istanbul unterzeichnet werden sollte. Putin war zur Beendigung des Kriegs bereit, Selenskyj zum Verzicht auf den Natobeitritt, um US-Atomraketen an der russischen Grenze zu verhindern. Am 23. März beschlossen die Mitglieder der Nato in Brüssel, es dürfe keine neutrale Ukraine geben. So wurden die Friedensverhandlungen torpediert. Premier Johnson soll dabei die Rolle übernommen haben, Selenskyj für den Natobeschluss zu gewinnen. Diese Tatsachen wurden nun im Februar 2023 vom israelischen Ex-Premier Bennett bestätigt. Er hatte die Friedensverhandlungen durch Gespräche mit Putin und Selenskyj unterstützt. Er bestätigt, dass Johnson Selenskyj bewogen hat, weiter gegen Russland zu kämpfen.

Offensichtlich wollten also die unmittelbaren Kriegsparteien der Warnung Jesu folgen, auf den Griff zum Schwert zu verzichten und auf beiden Seiten Leben zu retten. Der furchtbar böse Putin und der Held Selenskyj wollten den schnellen Frieden. Denn beide konnten ihre Kriegsziele erreichen: Putin die neutrale Ukraine, Selenskyj die besatzungsfreie Ukraine. Nur das Natokriegsziel blieb unerreicht: Die Ukraine als Natomitglied. Es kann also Frieden werden, wenn sich die Ukraine von den verhängnisvollen Einflüsterungen der Nato löst. Der Friedensplan vom März 2022 sollte endlich unterschrieben werden. Dann werden die viel diskutierten Waffenlieferungen hinfällig, statt dessen kann Hilfe bei der Minenräumung und beim Wiederaufbau stattfinden und die Geflüchteten können heimkehren.

Dazu braucht es den Mut, sich den Erwartungen der USA zu entziehen und eine eigene europäische Friedens- und Sicherheitspolitik zu verfolgen unter Einschluss Russlands. Putin hat 2001 vor dem deutschen Bundestag großen Beifall bekommen für den Vorschlag einer Sicherheitspartnerschaft. Auf dieses Angebot gilt es jetzt einzugehen. Deutschland kann so von einer Waffen liefernden Kriegsführungsmacht zu einer Friedensführungsmacht werden, am besten zusammen mit Frankreich. Beide Nationen haben gute Erfahrung gemacht mit der Überwindung von scheinbar unüberwindbaren Erbfeindschaften. Präsident Macron hat Anfang Dezember 2022 entsprechende Vorschläge gemacht, die auf die Sicherheitsinteressen Russlands Rücksicht nehmen. Darauf sollte Deutschland eingehen und diese Friedensinitiative gemeinsam mit allen anderen Staaten Europas gegen die Falken in den USA und Großbritannien durchsetzen, die dort selbst umstritten sind.

Es lockt eine riesige Friedensdividende durch diese wahrhafte Zeitenwende. Die Bundeswehr muss nicht mehr aufgerüstet werden, sie kann schrumpfen. Die entlassenen Soldaten helfen gegen den Fachkräftemangel, um die uralte Vision „Schwerter zu Pflugscharen“ umzusetzen (Jes 2,1-5). Preisgünstiges russisches Gas senkt die Inflationsrate und unsere Industrie muss nicht mehr ins Ausland abwandern, um dem Bankrott zu entgehen. Die gesparten Kosten können investiert werden in Wind- und Solarkraftwerke, in die bessere Isolation von Wohngebäuden und in energiesparende Heizungen. Dann wird Finanzminister Lindner auch genug Geld haben für die Kindergrundsicherung, für gute Löhne in der Pflege und im öffentlichen Dienst. Das Geld wird auch verwendbar, um die Nöte in armen Ländern zu lindern, dass die Verzweifelten nicht mehr fliehen und im Meer ertrinken müssen.

Um es mit dem Gleichnis Jesu zu sagen. So werden wir aus bösen Weingärtner zu guten Verwaltern im Weinberg des barmherzigen Vaters Jesu. Glücklich sein werden, die Frieden stiften (Mt 5,9). Amen.

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