16.3. TELEPOLIS zur Debattenkultur

Administrator (Reinhard_de) on 16.03.2023

Ein Artikel über die augenblicklichen Missstände in der Debattenkultur finde ganz mein Zustimmung: "Kriegswillige und Pazifisten stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Warum ein Blick in die Geschichte lohnt. Und warum Telepolis dazu Hermann Hesse empfiehlt."

Ein Artikel über die augenblicklichen Missstände in der Debattenkultur finde ganz mein Zustimmung: "Kriegswillige und Pazifisten stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Warum ein Blick in die Geschichte lohnt. Und warum Telepolis dazu Hermann Hesse empfiehlt."

"Krieg wird so lange sein, als die Mehrzahl der Menschen noch nicht in jenem Goetheschen Reich des Geistes mitleben kann. Krieg wird noch lange sein, er wird vielleicht immer sein. Dennoch ist die Überwindung des Krieges nach wie vor unser edelstes Ziel und die letzte Konsequenz abendländisch-christlicher Gesittung."

Hermann Hesse, O Freunde, nicht diese Töne!, 1914


"Und als der Krieg im vierten Lenz

keinen Ausblick auf Frieden bot.

Da zog der Soldat seine Konsequenz

und starb den Heldentod."

Bertolt Brecht, Die Legende vom toten Soldaten, 1922


"Medien und Politik marschieren längst in Reih und Glied an der Heimatfront. Sie werde wöchentlich 14.000-mal als Kriegstreiberin bezeichnet, beklagte sich die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann unlängst in einem Interview. Zugleich macht sie in erster Reihe Stimmung gegen jene Friedensaktivisten, die eben keine Schönwetterpazifisten sind.

Das funktioniert nicht ohne intellektuelle und menschliche Herabsetzung des politischen Gegners, was sie bei ihrem Lamento freilich zu erwähnen vergisst."


In seinem Beitrag beklagte Hesse eine "unheilvolle Verwirrung des Denkens" angesichts des begonnen Weltenbrandes. Und eben jene intellektuellen oder intellektuell verstandenen Frontstellungen, die wir heute auch erleben. Hesse plädierte für eine verbale und politische Abrüstung, er schreibt:

"Alle diese Äußerungen, vom frech erfundenen "Gerücht" bis zum Hetzartikel, vom Boykott "feindlicher" Kunst bis zum Schmähwort gegen ganze Völker, beruhen auf einem Mangel des Denkens, auf einer geistigen Bequemlichkeit, die man jedem kämpfenden Soldaten ohne weiteres zugutehält, die aber einem besonnenen Arbeiter oder Künstler schlecht ansteht.

Ich nehme von vorneherein alle diejenigen von meinem Vorwurf aus, denen schon vorher die Welt bei den Grenzpfählen aufhörte. Die Leute, denen jedes der französischen Malerei erteilte Lob ein Gräuel war und denen bei jedem Fremdwort der Zornschweiß ausbrach, die sind es nicht, von denen hier die Rede ist, die tun weiter, was sie vorher taten.

Aber die anderen alle, die sonst mit mehr oder weniger Bewusstsein am übernationalen Bau der menschlichen Kultur tätig gewesen sind und jetzt plötzlich den Krieg ins Reich des Geistes hinübertragen wollen, die begehen ein Unrecht und einen großen Denkfehler. Sie haben so lange der Menschheit gedient und an das Vorhandensein einer übernationalen Menschheitsidee geglaubt, als dieser Idee kein grobes Geschehen widersprach, als es bequem und selbstverständlich war, so zu denken und zu tun."

Hermann Hesse, O Freunde, nicht diese Töne!, 03.11.1914


110 Jahre später sind diese Worte wieder genauso war wie damals!

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