4.3. TP "... kaltherzige, irrationale Klima-Ignoranten?"
Bei TELEPOLIS las ich heute einen empfehlenswerten Artikel, zu den Gründen der schleichenden Erfolge beim Klimaschutz: "Sind wir kaltherzige, irrationale Klima-Ignoranten?". Wie konnte es soweit kommen, dass wir wie die Lemminge Richtung Abgrund laufen? Haben uns fossile Lobbys und korrumpierte Politik derart fest im Griff?
Hier einige mich besonders ansprechende Absätze aus dem Artikel:
Die immer dichtere Folge an Klima- und Wetterkatastrophen und düsteren Prognosen scheinen für die politisch Verantwortlichen aber kein Anlass zu sein, umzudenken oder gar umzusteuern. Vielmehr sieht es im Moment so aus, als ob wir – trotz Aufbegehrens in Teilen der Gesellschaft, vor allem innerhalb der jüngeren Generationen –, wie die Lemminge in den Abgrund laufen.
Wie konnte es so weit kommen?
Zuerst einmal: Die fossilen Industrien haben den Kurs Klimakollaps durchsetzen können und verteidigen ihn bis heute recht erfolgreich. Sie sind eine Schurkenindustrie. Sie haben ihren Einfluss, ihre ökonomische Macht, in politische Macht umgemünzt. Sie haben verheimlicht, gelogen und Propaganda gegen die Energiewende gemacht.
Versagt haben sie aber eigentlich nicht. Ihr Geschäftsmodell sind nun einmal die fossilen Rohstoffe.
Versagt hat unser politisches System: also Parteien, Parlamente, Regierungen. Politiker:innen werden ja von uns gewählt, um das Gemeinwohl zu wahren. Doch sie sind der Schurkenindustrie gefolgt.
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Versagt haben aber nicht nur Politiker:innen, versagt haben wir alle, versagt hat unser Verständnis von Politik und Demokratie. Wir sind ja nicht nur wegen der Stärke der fossilen Energiekonzerne auf Crashkurs, sondern wegen der Schwäche der Zivilgesellschaft. Wir haben versagt, die Schurken in die Schranken zu weisen und die Politik zu drängen, das Notwendige zu tun.
Es ist also, wenn wir ehrlich sind, ein gesamtgesellschaftliches Versagen.
Natürlich heißt "Wir" nicht pauschal "Alle". Das sollte man differenzieren. Eine alleinerziehende Supermarkt-Verkäuferin kann man kaum zur Verantwortung ziehen für die Katastrophenpolitik, die die "Profis" ausgehandelt haben. Sie weiß bis heute nicht, was los ist, vor allen Dingen wird sie auf sehr effiziente Weise passiv gemacht und verängstigt.
Darüber könnte man noch mehr sprechen. Am Ende hat die Verkäuferin gewählt (wenn sie überhaupt noch wählt), was auf dem Markt ist. Sie hat dabei, wie die meisten, gegen ihre Interessen stimmen müssen.
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Ich möchte hier nichts schönreden. Es ist ein harter Kampf, mit offenem Ende. Wenn man sich die Bundestagswahl anschaut, haben rund 70 Prozent der zur Wahl gegangenen Deutschen Parteien gewählt, die weiter keinen Plan haben, um der Krise zu begegnen, oder die Krise schlicht leugnen. Und beim Rest der Parteien herrscht Mutlosigkeit, wenn es um die Klimakursänderung geht.
Die jüngste Berlin-Wahl und der wahrscheinliche Machtwechsel zur CDU, die erfolgreich im Wahlkampf Angst ums Auto schürte, macht zudem deutlich, dass wir uns auf einem Schlingerpfad befinden.
Das liegt auch daran, dass die Menschen weiter von Politik und Medien indoktriniert werden. Die politische Situation ist jedoch unberechenbarer geworden, auch schnelle Wechsel in die ganz andere Richtung sind denkbar.
Alexandria Ocasio-Cortez, die progressive Kongressabgeordnete der Demokraten und Initiatorin der Green-New-Deal-Gesetzesvorlage in den USA, sagte einmal: Sie haben Geld, wir haben Menschen. Am Ende wählen Menschen.
Ihr kometenhafter Kampagnensieg als Kellnerin aus der New Yorker Bronx zur demokratischen Galionsfigur zeigt: Man muss die Menschen da abholen, wo sie sind, nicht da, wo man sie haben möchte. Ansonsten verliert man die Menschen. Es braucht ein Gesamtkonzept, das attraktiv ist für die Normalbevölkerung und eine grüne Wende mit einer sozialen Wende verbindet.
Dass Fridays for Future und die Gewerkschaft Verdi miteinander bei einem Klimastreik kooperieren, ist ein gutes Zeichen. Die arbeitende Bevölkerung und Gewerkschaften müssen mit ins Boot geholt werden, wie auch die Kirchen und andere Verbände. Das wird nicht leicht werden, es wird Konflikte geben.